Eigentlich müsste der vollständige Titel heißen: vom Mögen, Wollen, Tun und Lassen (das klingt leider zu umständlich).
Alltägliche Beispiele für die oben genannten Verben sind schnell gefunden: Alle finden Rauchen sei schlecht (außer vielleicht die Tabakindustrie) und generell müsste man eigentlich viel gesundheitsbewusster leben. Auch beim Shoppen wäre es besser, den Tante-Emma-Laden vor Ort zu unterstützen und sich zum Beispiel seine Bücher im Fachhandel zu kaufen.
Das sagen schließlich auch die Umfragen: Laut Statistik lieben es unsere Mitmenschen, gesund zu leben und regionale Händler zu unterstützen. Aber so schön Schwarz-Weiß funktioniert leider nur die Theorie, denn im Alltag angekommen, kann man das Rauchen doch nicht lassen und die Bestellung im Internet bei den (in letzter Zeit eher unbeliebten) Global Playern ist schnell geklickt. Es gibt also einen Unterschied zwischen dem, was man mag und dem was man letzten Endes will (und tut).
Dieser Unterschied zwischen „Mögen“ und „Wollen“ wurde inzwischen von Neuro-Wissenschaftlern untersucht und mit Versuchsreihen und Umfragen unterfüttert. Zur abschließenden Huldigung wurden dafür auch die Begriffe „Liking“ und „Wanting“ geprägt. Doch zuerst die Frage:
Was hat das jetzt alles mit Werbung zu tun?
Eine der wichtigsten Aufgaben von Werbung ist es ja, Unternehmen zu mehr Bekanntheit und Sympathie zu verhelfen. Schließlich gibt es die scheinbar selbstverständliche Annahme, dass vor allem Marken und Produkte gekauft werden, die Sympathien wecken. Das Mögen („Liking“) allein scheint allerdings nicht der Ausschlag gebende Faktor zu sein, wenn es darum geht, etwas zu kaufen. Ein Beispiel dafür ist das britische Preis-Vergleichsportal gocompare.com. Es startete 2010 eine Kampagne, die von den Briten zur „most annoying“ gewählt und von manchen geradezu gehasst wurde. Im Mittelpunkt dieser Kampagne steht ein Mann mit einem riesigen Schnurrbart. Der mit lautem, durchdringenden und vor allem nervigem „Gesang“ die Internetpräsenz der Firma anpreist. Die Clips wurden alles andere als gemocht, aber die Gewinne des Vergleichsportals schnellten während der Laufzeit der Clips in die Höhe. Die Sympathie der Werbung scheint also nicht immer der entscheidende Kaufantrieb zu sein. Wenn das so genannte „Liking“ also nicht die Ursache für das Kaufverhalten ist, was ist es denn dann? Verschiedene Wissenschaftler aus dem Bereich „Neuromarketing“ oder auch „Consumer Neuroscience“ haben hierzu folgende These aufgestellt.
Neuromarketing: Wollen schlägt Mögen
In den Neurowissenschaften gibt es eine eindeutige Unterscheidung von „Wanting“ und „Liking“. Sie betreffen zwei neuronale Netzwerke, die sich in den Gehirnarealen „überlappen“. Die Wissenschaftler stellten nun die Annahme auf, dass diese zwei Regionen auch unterschiedlich beeinflussbar sein müssen. So gab es eine Studie von Forschern der Emory Universität (USA). Bei dieser Versuchsreihe wurden Jugendlichen Songs noch unbekannter Bands vorgespielt und gleichzeitig gab es Messungen am Gehirn. Nach der Session sollten die Probanden per Fragebogen bewerten, wie ihnen die Musikstücke gefallen haben. Innerhalb von drei Jahren wurden die Verkaufszahlen der Songs genau überprüft und dann mit den Ergebnissen der Befragung verglichen. Das Ergebnis: Die Lieder, die es schafften das Gehirnareal des „Wanting-Systems“ zu stimulieren, waren wesentlich erfolgreicher als jene, die nur „beliebte“ Songs waren aber ohne Aktivierung. Also nur alleine das Mögen reicht nicht aus, um eine Prognose zu geben. Im Neuromarketing deuten die Experten das so: Das Wanting sagt das Kaufverhalten vorher, das Liking aber nicht. Eine Studie der Harvard University, die in der renommierten Zeitschrift Psychological Science veröffentlicht wurde, kam zum gleichen Ergebnis.
Und so lautet die Definition der Forscher im Neuromarketing:
- Liking ist die emotionale Beurteilung also Sympathie gegenüber einem Produkt oder einer Marke. Es ist der Genuss einer erreichten oder in Aussicht gestellten Belohnung und wird durch sogenannte Opioide reguliert.
- Wanting ist die Motivation etwas wirklich zu kaufen. Es basiert auf der Erwartung einer Belohnung und wird vom Dopamin reguliert.
Als ein bekanntes Beispiel dieser Verhaltensweisen nennen die Neuromarketer das Suchtverhalten. Die Mehrheit der Raucher mag die Zigarette nicht, will sie aber und kann damit nicht aufhören. Beim Rauchen wird das so genannte Wanting-System aktiviert und es beeinflusst das Verhalten ganz unabhängig davon, ob man etwas mag oder nicht. Der Genuss (Liking) fehlt, aber das Wanting steigt. Laut den Wissenschaftlern gibt es auch eine zeitliche Abfolge, die es zu beachten gilt. Das Wanting stehe für die Motivation, eine Belohnung zu erhalten, während das Liking sich einstellt, wenn das Ziel erreicht ist (Genuss der Belohnung).
Deshalb sei Wanting für Kaufverhalten entscheidend und Liking entsteht durch die anschließende emotionale Beurteilung.
Wie wird das Wanting-System aktiviert?
Das Wanting-System lässt sich nach dieser Theorie durch das Versprechen von Zielen erreichen. Bei Waschmitteln wäre das beispielsweise saubere Wäsche, bei Shampoos schöne Haare oder bei Versicherungen und Dienstleistungen Ziele, wie eine gesteigerte Sicherheit, mehr Freizeit oder Ähnliches. Beim Erreichen dieser Ziele dienen Produkte als Mittel zum Zweck: Sie sind dazu da, den Kunden zu helfen, ihre Ziele zu erreichen. Die Forscher nennen das „Goal Value“. Das heißt, der Wert eines Angebotes oder einer Marke bestimmt sich durch die Relevanz der Ziele, welche die Marke zu erreichen verspricht. Im Falle des nervtötenden Sängers von gocompare.com ist es das Versprechen, viel Geld zu sparen. Die großen Internet-Versandhäuser werben mit der großen Zeitersparnis und komfortabler Bequemlichkeit. Die Frage für die Marketing-Praxis ist aber:
Gibt’s auch neue Erkenntnisse oder alles nur „Großhirn-Voodoo“?
Folgt man den Ergebnissen geht es vor allem darum, sich bei der Kernbotschaft der Marke auf deren Nutzen zu konzentrieren, während Außenwirkung und Sympathie eher sekundär sind. Aber bringt diese Strategie langfristig und nachhaltig Erfolg? Kann und sollte man Suchtverhalten mit unbewussten Kaufentscheidungen gleichsetzen? Das einzige Messinstrument des relativ jungen Wirtschaftszweiges des Neuromarketings ist die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT). Bei dieser Methode wird der Grad der Durchblutung einzelner Hirnregionen gemessen, denen wiederum bestimmte Funktionen zugesprochen werden.Die Frage ist dabei, ob solche „Hirnscans“ dazu beitragen TV-Spots, Anzeigen oder Produktdesign zu optimieren. Die Argumentation der Neuromarketer ist, das 90 Prozent aller Kaufentscheidungen von Konsumentenunbewusst getroffen werden. Dabei ist das Zusammenspiel von Emotionen, Wahrnehmung und Verhalten doch sehr viel komplexer, als es diese Untersuchungen vermuten lassen. Spiegel Online betitelt diese Methode der Hirnforschung in einem Artikel übrigens als „Großhirn-Vodoo“. Dabei sind solche Erkenntnisse mehr als nur bunte Bilder, die ihre Betrachter dazu einladen, in die Welt des Neuromarketings abzutauchen. Wie bei so vielen Dingen liegt wohl der Weg in der Kombination der Methoden. Man sollte beim Marketing eben nicht nur auf Sympathie, sondern auch verstärkt auf den Nutzen einer Marke oder eines Produktes setzen. Welche Ziele verfolgen die Kunden? Was motiviert sie? Allerdings sind das alles Fragen, die bereits auch ohne Magnetresonanztomographie gestellt und in Kampagnen umgesetzt werden. Ob Marken mit nerviger Werbung am Ende erfolgreicher da stehen, als witzig-sympathisches Marketing, das entertainen will, sei dahin gestellt.
In diesem Sinne geht auch nichts über zwei dicke Sumo-Ringer, die im Takt zur klassischen Musik ein hochwertiges Bett testen: Spot Möbel Kraft.
Quellen:
- https://lutfi-fadil.blogspot.com/2010/04/difference-between-liking-and-wanting.html
- https://www.spiegel.de/spiegel/a-760220.html
- https://www.rechnungswesen-verstehen.de/bwl-vwl/marketing/neuromarketing-definition.php
<!–http://scienceupdate.decode-online.de/sites/default/files/pdf/2_2014_Liking_vs_Wanting_0.pdf–>
<!– http://www.drittekraft.com/markenblog/blog-post/2014/08/27/neuromarketing-von-hirnscans-und-huetchenspielern.html–>